Text: Christian Selbherr Fotos: Jörg Böthling
Alle 21 Minuten wird in Indien eine Frau vergewaltigt. Jede Stunde passiert ein so genannter Mitgiftmord, weil eine Braut angeblich zu wenig Geld mit in die Ehe gebracht hat. Laut einer Studie aus 2013 ist Indien das frauenfeindlichste Land unter den G20-Staaten, schlimmer als Saudi-Arabien.
Doch es gibt immer mehr Frauen, die das nicht mehr hinnehmen wollen. Wie im Bundesstaat Uttar Pradesh, wo die „Gulabi Gang“ sich gegen Ungerechtigkeit aller Art auflehnt.
Nicht nur die Not ist groß in den Dörfern im Bundesstaat Uttar Pradesh, sondern auch die Wut. Nur zu bereitwillig gehen immer mehr Frauen mit, wenn jemand wie Sampat Pal durch die Gegend zieht und ihnen mit einer einfachen Botschaft etwas Großes verspricht: „Folgt mir, gemeinsam können wir für unser Recht kämpfen!“ Was hätten sie auch zu verlieren?
In leuchtend rosa Sari-Gewändern gekleidet zieht die „rosafarbene Bande“ – so die Übersetzung – durch die Städte und Dörfer. Ihre Anführerin ist die frühere Ziegenhirtin Sampat Pal Devi. Sie hat die Gulabi Gang im Jahr 2006 gegründet. „Seitdem kämpfen wir gegen gewalttätige Ehemänner und korrupte Beamte.“ Wenn es sein muss, auch mit Gewalt: Deshalb tragen die Frauen „lathis“ mit sich, lange Bambusstöcke, mit denen Hirten ihre Kühe und Ziegen vor sich her treiben.
Ein ums andere Mal haben diese Stöcke der Gulabi Gang schon zu ihrem Recht verholfen. Da war zum Beispiel diese große Lieferung Reis, die eigentlich für die Armen bestimmt war. Die Frauen um Sampat Pal fanden heraus, dass die Regierungsleute den Reis heimlich auf dem Schwarzmarkt verscherbelt hatten. Als die Polizei nur wenig Interesse zeigte, verwüsteten die Gulabi-Frauen die Polizeistation.
An die 40.000 Mitglieder soll die Gulabi Gang inzwischen haben, verstreut in der Region, mit einer Kommandantin in jedem Dorf und jeder Stadt. Sie haben unter anderem auch Nähkurse für Frauen und Programme, mit denen junge Mädchen lesen und schreiben lernen sollen, ins Leben gerufen. Sampat Pal wehrt sich heftig dagegen, wenn sie als aufrührerische Banditin hingestellt wird. „Wir kämpfen doch nur für Gerechtigkeit“, sagt sie dann. Unrecht hat sie selbst oft genug erfahren.
Christian Selbherr arbeitet als Redakteur und freier Journalist in München (www.christian-selbherr.de). Jörg Böthling ist freier Fotojournalist in Hamburg (www.visualindia.de). Beide fokussieren in ihrer Arbeit auf Globalisierungs- und Umweltthemen.
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